ArcticChiller Geschrieben 28. Juli 2019 Teilen Geschrieben 28. Juli 2019 (bearbeitet) Hallo zäme Wir sind zurück von unserem Oldtimer-Flyout nach Dänemark. In diesem Flugbericht geht es um den letzten Flug der Reise, von Paderborn Lippstadt nach Grenchen. Ich habe ein Enroute IR (dieses wird bald zum Basic IR mit Enroute-Modul) und mit Reiseberichten wie diesem, siehe auch Bericht von Carcassonne, möchte ich zeigen wie nützlich dieses Rating ist und dass es der perfekte Einstieg in die IFR-Fliegerei ist (wobei ich bereits ein FAA CPL/IR habe). Vom Enroute bzw. Basic IR gibt es auch einen recht simplen Weg fürs Upgrade zum normalen Instrument Rating. Der Flug gestern war für mich ein bisschen ein Meilenstein, denn bisher flog ich nur in den USA "richtig" IFR bei Wind und Wetter. In Europa ist meine IFR-Erfahrung noch sehr begrenzt und wie im erwähnten Bericht von Carcassonne gesagt, wollte ich mich einfach mal bei Schönwetter-IFR im System wohlfühlen, bevor es wieder richtig losgehen kann. Dieser Flug war jetzt das erste Mal etwas herausfordernderes Wetter. Jetzt im Nachhinein muss ich sagen, dass ich sozusagen wieder im IFR-System angekommen bin und das Funken, Planen und das ganze Drumherum wurde zur Routine: Jetzt kann ich mich wirklich auf das Fliegen und das Wetter konzentrieren und bin nicht mehr abgelenkt von diesen Routinetätigkeiten. Ich denke, ich beschreibe einfach mal, wie ich den Flug angegangen bin, sodass man sich als VFR-Pilot vorstellen kann, wie so ein Enroute-IFR-Flug funktioniert. Flugplan filen und Briefing Pack studieren Aeronautical Decision Making am Boden Aeronautical Decision Making in der Luft 1. Flugplan filen und Briefing Pack studieren Für IFR-Flugpläne und Briefings verwende ich www.autorouter.aero inklusive Telegram Chatbot, welcher auf Befehle wie "EOBT 1230" oder "GAFOR edlp lszg" den Flugplan in Echtzeit verändert oder Wetterbriefings für einen macht. Das Briefing enthält wirklich alles, was man braucht (Wetter, NOTAM, Start-/Landestrecke, Steiggradient, RAIM, usw.), darunter auch ein GAFOR, welches das Wetter sehr übersichtlich darstellt. Beim Filen habe ich angegeben, dass ich gerne 2h vor EOBT ein Briefingpack-Update hätte, und dieses ist dann auch gekommen. Damit man sich darunter etwas vorstellen kann, hier das Inhaltsverzeichnis des Briefingpacks: Das Wetter war geprägt von der Hitze, Konvektion und der recht langsamen Kaltfront über Frankreich, welche uns heute (Sonntag) das Regenwetter beschert. Die SIGWX-Chart zeigte auch das Potenzial der Konvektion (EMBD CB sind embedded Thunderstorms, also Gewitter, die ich in IMC nicht erkennen würde und ohne Wetterradar eine grosse Gefahr darstellen): Mit dem Autorouter-GAFOR kann man sich den Wetterbericht etwas einfacher darstellen lassen: Man sieht im GAFOR, dass der Flug bis zum Jura kein Problem sein sollte (die Bewölkungsstärke FEW/SCT/OVC/BKN ist in den Kreisen angegeben). Die meisten TAFs auf dem Flugweg zeigten PROB30-40 Gewitter an. 2. Aeronautical Decision Making (ADM) am Boden Ich verwende diese Akronyme für ADM zwar nicht 1:1, aber ich finde sie wichtig, um sich bewusst auf Gefahren vorzubereiten. Zudem gibts für den Bericht eine einfache Struktur: PAVE - Pilot, Airplane, Environment, External Pressures P: Als Pilot war ich fit für den Flug (IMSAFE) und current genug, um mich sowohl VFR wie auch IFR wohl zu fühlen beim bevorstehenden Flug. Meine IMC-Currency ist etwas besser geworden, aber noch nicht top-notch. Der Copilot war ein sehr erfahrener VFR-Pilot, der mich natürlich auch entlasten konnte mit dem Heraussuchen von Wetterdaten usw. A: Das Flugzeug ist Avionics-mässig perfekt ausgerüstet mit einem IFR-GPS (GTN650 und zwei G5), DME, ADL in flight weather (aktuelles Niederschlagsradar, Tops und Blitze auf dem iPad). Ein recht starker Motor mit Constant Speed Prop und Wing-Extension-STC verhilft zu vergleichsmässig sehr guten Steigraten für eine Cessna. Hingegen kein Turbo und kein Sauerstoff dabei. Zudem ohne Autopilot: In Verbindung mit meiner mittelmässigen IMC-currency (gemessen an meiner damals hohen Currency als ich CPL/IR absolvierte) wollte ich daher nur in IMC einfliegen, wenn ich genau wusste in welche Richtung (vertikal und lateral) es zu besserem Wetter geht. Bei zu viel Konvektion hätte ich in VMC IFR gecancelled und wäre entweder VFR weiter, oder gleich gelandet. V: Das Wetter war eher schwierig einzuschätzen. Die PROB30-40 Gewitter in den TAFs stimmten mich eher pessimistisch und ich entschied daher schon am Boden, dass das Landen auf einem Alternate wahrscheinlicher war, als direkt zur Destination zu kommen. Hinzu kam, dass wir mit dem Reserve-Fuel eher am Limit waren und ein Umweg wegen Wetter sofort ein Alternate bedeutet hätte. Ich hatte daher viele Enroute-Alternates eingeplant. E: External Pressures waren sehr wenige vorhanden. Die übliche Gefahr von Get-there-itits, denn es war der letzte Flug des Flyouts zurück zur Homebase. Die Passagiere waren darauf eingestellt, dass wir eventuell irgendwo in Deutschland landen werden, nur falls möglich auf einem grösserem Platz mit gutem ICE-Anschluss nach Hause. Flugzeug stehen lassen wäre kein Problem gewesen (dies ist der Vorteil des eigenen Flugzeugs gegenüber Mietflugzeug!). 3. Aeronautical Decision Making (ADM) in der Luft Der Flug selbst war aus Distanz betrachtet sehr einfach, erforderte aber während den 2h 39 Minuten Flugzeit aber konstantes Risk Management, also ADM. Auf meiner IFR-Ceckliste steht dafür das DECIDE-Modell, welches ich aber nur als Erinnerung dort drauf habe, was die einzelnen Buchstaben bedeuten ist relativ egal. Es geht einfach darum, zu erkennen, dass wenn etwas nicht nach Plan läuft, aktiv mit der Veränderung umgegangen wird und um zu kontrollieren, ob die getroffenen Massnahmen die gewünschte Wirkung erzielen. Ein Beispiel auf diesem Flug war folgendes: Gemäss meinem Flight Log, welches ich neben ForeFlight altmodisch von Hand führte, hatten wir 6 Minuten Verspätung (unter anderem wohl weil ich bei der Hitze den Motor nicht mit Vy plagen wollte). Aufgrund der knappen Fuel-Reserve, wollte ich diesen Delay reduzieren. Gemäss unserem Flugplan hätten wir recht weit in den Westen fliegen müssen, um Frankfurt zu vermeiden. ATC war so nett, meine Request für ein besseres Direct freizugeben und so waren wir wieder pünktlich unterwegs. Im Bild sieht man die Route in den Westen gemäss Flugplan; wir konnten nach Siegen bereits wieder südlich fliegen. Jedoch begann der DECIDE-Zyklus wieder von neuem, als wir im Raum Strassbourg vermutlich wegen dem dortigen CB einen anderen Wind hatten als geplant, die Groundspeed war 105 statt 118 kts, wodurch wieder die Alternates in den Fokus rückten. Nach ein paar Zonen mit sehr leichtem Regen flogen wir zwischen ein paar Wolkenschichten in VMC. Auf dem gesamten Flug hatten wir bloss ein paar Minuten IMC, somit konnten wir stets beurteilen, ob die Alternates nach Sichtflug leicht zu erreichen waren (mit Enroute IR muss ich ja in VMC sein, um dann landen zu können). Es war cool zu sehen, wie genau der Niederschlag auf dem ADL-in-flight-weather angezeigt wurde. Ich hatte mich auf EuroGA.org und im Handbuch sehr damit befasst, in welches angezeigte Wetter ich einfliegen würde (leichter Niederschlag in grün) oder eben nicht (grüner Niederschlag mit gelb/rot in der Nähe, siehe Screenshot, die Position des Flugzeugsymbols macht keinen Sinn, weil wir da schon nach dem Flug in der Gartenbeiz sassen, den CB über Strassburg sieht man aber noch). Über Freiburg konnten wir den Flugplatz erkennen und entschieden basierend auf dem neusten Wetter und der aktuellen ETA, dass wir weiter nach Grenchen fliegen würden. In der Gegend vom Jura musste ich dann IFR canceln, weil mich Zürich nur bis dorthin IFR akzeptierte (mein Flugplan war bis RINLI gefiled, südlicher davon rechnete ATC also nicht mit mir). Dies äusserte sich darin, dass ATC mir sagte "you will have to cancel IFR when reaching RINLI". Natürlich kann nur der Pilot das Canceln initiieren, bei Problemen hätte ich micht nicht gescheut, eine weitere Clearance einzuholen oder mich auch anderweitig durchzusetzen, denn meiner Meinung nach kann es nicht sein, dass ein Flugzeug sich wegen ATC-Kapazitäten in Gefahr bringen soll. Die Bewölkungsfreie Zone über der Schweiz (angezeigt oben im ADL-Screenshot von nach dem Flug, war aber während des Flugs noch grösser) bewahrheitete sich und entsprach den aktuellen METARs, welche wir ebenfalls via ADL abrufen konnten. So gings dann mit einem Straight-in VFR nach Grenchen, wo wir mit 8 Minuten Verspätung aufsetzten. Ohne die Shortcuts um Frankfurt hätten wir wohl in Freiburg nochmals etwas aufgetankt. Fazit Alles in allem also ein toller Flug mit konstantem Desicion-Making und es lief alles wie geschmiert. Mit Flügen wie diesem lernt man doch einiges mehr, als man in der Flugschule erfährt. Pilotenlizenzen sind eben eine "License to learn" und das hat sich hier wiedermal bewahrheitet. Das Enroute IR war auf diesem Flug extrem hilfreich, weil es jegliche Bedenken über Lufträume wegfallen liess. Es ging nur um die beste Route, um am Wetter vorbeizukommen. So war der Flug sehr zeitsparend, was ja wichtig ist, wenn man früh morgens los will, um die Konvektion zu vermeiden. Wie gesagt, wir waren fast nie in IMC und doch waren wir zwischen den Wolkenschichten unterwegs, so dass wir rein unter VFR wohl eher zwischen Terrain und Wolkendecke am "scud running" gewesen wären (oder weiter östlich einen Umweg geflogen wären und dann am Nachmittag vielleicht mit dem Zug weiter wären). Auch die Alternates wären stets in VMC erreichbar gewesen. Somit war dieser Enroute-IFR-Flug ein grosser Sicherheitsgewinn und hat obendrauf noch Spass gemacht. Ich hoffe der eine oder andere VFR-Pilot kann sich jetzt besser vorstellen wie das so geht mit dem Enroute IR, oder eben bald dem Basic IR. Ich finde es eine ganz tolle Sache. Wie man sieht darf man nicht ohne darüber nachzudenken in jede Wolke einfliegen, aber unter dem Strich empfinde ich das IFR-Fliegen nicht als schwieriger als VFR. Denn auch VFR gibt es sehr vieles zu bedenken, insbesondere diese lästigen unsichtbaren Wände in der Luft namens Class C, D oder Prohibited/Restricted Areas, über die ich jetzt Enroute einfach nicht mehr nachdenken muss. Egal ob VFR oder IFR: Die eigene Currency darf man nie überschätzen und man muss sich bewusst sein, dass man mit seiner License to learn unterwegs ist und nicht mit einem Zertifikat, das einen unverwundbar macht... in dem Sinne, Happy Landings. Liebe Grüsse Florian Bearbeitet 28. Juli 2019 von ArcticChiller 4 12 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
MichaDF Geschrieben 28. Juli 2019 Teilen Geschrieben 28. Juli 2019 Hallo Florian, Vielen Dank an dieser Stelle für die interessanten Einblicke! 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
FalconJockey Geschrieben 28. Juli 2019 Teilen Geschrieben 28. Juli 2019 Sehr guter Beitrag, danke für die Mühe! Interessant was heute alles so machbar ist. Und Du hast ein schönes Beispiel der Kevin-Helmholtz-Instability eingefangen! 2 2 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
HB-JAN Geschrieben 29. Juli 2019 Teilen Geschrieben 29. Juli 2019 Danke für den tollen Bericht Am 28.07.2019 um 14:14 schrieb ArcticChiller: denn meiner Meinung nach kann es nicht sein, dass ein Flugzeug sich wegen ATC-Kapazitäten in Gefahr bringen soll. Es ist nicht zwingend das dich die ATC aufgrund Kapazitäten als IFR "weg" haben will. Es kann durchaus auch sein das du mit der Höhe, mit der du daher kommst, aus dem Airspace rausfliegst, in welchem Sie dich noch als IFR Traffic handeln können (zb. Gelände, Radar usw). Bei uns in der Ost-CH klappt das jeweils sehr gut mit der ATC, wenn man genug früh seine Intentions bekannt gibt, kann man auch unterwegs bereits machen, die Sektoren tauschen sich ja aus. Gruss Jan 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
ArcticChiller Geschrieben 30. Juli 2019 Autor Teilen Geschrieben 30. Juli 2019 Also in diesem Fall hatte ich damit gerechnet, dort IFR zu canceln (auch gemäss Flugplan). Schon in meinem letzten Bericht gab es diese Situation über Genf, als ATC sagte "Lyon will not accept you in their airspace" oder so ähnlich. Das ist ja alles okay, da ich in beiden Fällen vor diesen Lufträumen die Transition zu VFR gefiled hatte. Das Verhandeln mit ATC funktioniert immer sehr gut. :) In beiden Fällen waren Sektoren hinter den Transitions, die gemäss meinem Briefing von Sektorüberlastung (also Delays) betroffen waren. Ich denke meine Kritik richtet sich viel mehr an die europaweiten Kapazitätsprobleme. Der lokale ATC-Controller kann überhaupt nichts dafür und muss dafür sorgen, dass trotz allen Problemen alles rund läuft. Die Konsequenz sind halt bspw. solche Aufforderungen zum IFR canceln. Mit meiner Aussage im Bericht wollte ich nur sagen: Auch wenn diese Aufforderung zum canceln absolut klingt, kann nur der PIC IFR canceln und man darf dies nur tun, wenn die Bedingungen dafür gegeben sind (gute VMC-Bedingungen, usw.). Falls diese nicht gegeben sind muss man sich durchsetzen und möglichst früh eine weitere Freigabe anfragen. Es klingt in meinen Ohren einfach seltsam, so à la "We're about to kick you out of the system, state intentions", während ATC auch einfach sagen könnte "According to your flight plan you intend to cancel IFR at xyz, is that correct?". Aber das sind ja details, ich habe mich schon fast an die Umgangsweise gewöhnt. ;) Falls Terrain usw. dies erfordert, sagen sie den Grund normalerweise. Aber stimmt schon, vielleicht interpretiere ich hier etwas hinein, das gar nicht der Grund ist. Cool, dieses Wolkenphänomen! Kannte ich nicht. :) Sent from my SM-A600FN using Tapatalk Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
luckymaaa Geschrieben 4. August 2019 Teilen Geschrieben 4. August 2019 Hallo Florian, interessanter Bericht, ich war letzte Woche in dem Gebiet unterwegs. Am Montag hochgeflogen am Mittwoch zurück. Wie stark bei mir die Ansicht * TMA Zürich zu crossen ist geht eh nicht* ist, habe ich beim Flug von Mollis nach Koblenz erlebt. Da ich keine Lust hatte tief zu fliegen und meine geplante höhe von 5500ft nicht möglich war (ich wusste das Rheintal ist offen) blieb ich auf ca 7000ft. Nun in dieser höhe kam mir aber die TMA8 in die Quere wenn ich richtung Norden abbiegen sollte..... so tat ich das was man halt tut, und habe FIS nicht mal gefragt ob sie schauen könnte ob ein X ing Beinwil am See - Bad Säckingen möglich sei, sondern flog Brav um die TMA 8 herum.... Interessanterweise habe ich keine Sekunde überlegt FIS BSL zu fragen ob ich die TMA Basel durchqueren kann, die fängt auch in 5700ft an. Es war kein Problem ein x ing zu bekommen sie wollte mich einfach auf 9000ft ich konnte so Schlussendlich praktisch 1 Linie Basel Koblenz fliegen, mit einem X ing durch Basel und Strassburg, was einen Teil der Verspätung wieder eingeholt hat. Es war einiges los und einmal wurden wir auch auf heading 90° gevektored um Traffic auszuweichen. Was ich sagen will, Skyguide hat gewonnen, zumindest was mich angeht, ich frage gar nicht erst nach ob was geht... ich fliege halt 15Min länger, bei den Franzosen weiss ich, dass es meistens geht also frage ich nach... Das nächste Mal habe ich mir vorgenommen werde ich es zumindest auch bei Skyguide versuchen... Gruss Lucas Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
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